Wem das Beiwörtchen „integral“ langsam zum Halse raushängt dem sei versichert, dass er (oder sie) hier nichts verpasst, wenn sie (oder er) diesen Artikel einfach jetzt beiseite legt. Es gibt so viele andere spannende Dinge im Leben eines „integral informierten“ Menschen, da muss man wirklich nicht seine Zeit damit verschwenden, das Gleiche in neuen Worten zu lesen.
Also, tschüss – have fun dabei dein Licht in die Welt zu bringen um uns alle zu erleuchten (das meint eine „integrale Weltsicht“ nämlich (auch).
Für alle anderen: Ich verwende das Wörtchen „integral“ ganz gerne, weil es etwas beschreibt, was ich sonst dauernd in (zu) viele Worte fassen müsste, nämlich ungefähr so:
„Eine integrale Diskussion, z.B. hier zum Thema „Selbständigkeit und Geld und so“, schließt alle Bereiche menschlichen Wissens ein, d.h. subjektive und objektive Sichtweisen, individuelle und kollektive Phänomene, grundsätzlich verschiedene „Typen“ (wie z.B. „männlich“ und „weiblich“), darüber hinaus alle vor-rationalen (magisch, mythisch), rationalen und trans-rationalen (mystisch) Weltsichten der Menschheitsgeschichte und noch ein paar Kleinigkeiten mehr, die ich auch noch nicht alle verstanden habe :o)“
Das wirklich Frustrierende an der integralen Sichtweise (oder Theorie) ist halt, dass sie meist dermaßen unsexy präsentiert wird, dass den meisten jede Lust vergeht, mehr davon zu lesen – mal ehrlich, die Seite des „Integralen Forums“ verdient ja wirklich, wirklich höchsten Respekt, aber nicht den Titel „Heldin der Verständlichkeit“ ;o)
Und auch mein obiger Satz „Eine integrale Diskussion bla bla…“ hat eindeutig Tiefschlafpotential, oder? Daher hier der Versuch, selbständige Trainer und Mediatorinnen für diese Sichtweise zu interessieren – und wie geht das am Besten? Logisch, mit dem Thema Geld oder der Frage
Wie werde ich richtig reich?
Ich geb´s zu, den Titel habe ich gewählt, um dich bei der Stange zu halten, denn: „Reich“ heißt für mich (wesentlich) mehr als „viel Geld“ und „richtig“ bezieht sich sowohl auf eine rein praktische Ebene, also „Wie mache ich gute Geschäfte?“ als auch auf die ethische Seite des Begriffs, also „Wie mache ich meine Geschäfte (ethisch) gut?“ oder kürzer gesagt: Wie mache ich die richtigen Dinge richtig?
Den Rahmen, um diese Fragen zu fassen und zu klären, sind aus einer integralen Sichtweise im wesentlichen die
– „Vier Quadranten“ von „Ich-subjektiv“, „Ich-objektiv“, „Wir-subjektiv“ und „Wir-objektiv“
sowie die
– Stufen oder Wellen des Bewusstseins bzw. Werteebenen (hier beispielhaft Spiral Dynamics)
– und noch ein paar andere Kleinigkeiten, die ich auch nicht alle verstanden habe.
Ich werde diese Konzepte hier nicht noch mal im Detail erklären, sondern verweise auf die Links bzw. die Artikel in diesem Blog. Hier soll es um die praktischen Konsequenzen für dein Geschäft als Trainer, Berater oder Mediatorin gehen – so, lass uns richtig reich werden…
Mein integrales Business
1. Reichtum – Ich – Innerlich (Quadrant Oben Links)
Ich höre schon alle New-Age-Anhänger begeistert aufschreien: „JA, wahrer Reichtum fängt Innen an und wenn du wirklich, wirklich glaubst, dass wertvoll bist und ganz oft Geld visualisierst, dann wird es in Dein Leben fließen“ Da ich ja bekanntermaßen New-Age-imprägniert bin, hier gleich die Warnung: Das ist nur die halbe (bzw. schlimmer, nur ein Viertel) der (Vier-Quadranten-)Wahrheit.
By the way: „New-Age-imprägniert“ soll heißen, ich habe diese Phase intensiv durchgemacht, es war eine wirklich tolle Zeit mit Bärbels Wunschdenken und „Ich-schaffe-mir-meine-Welt-Gebrauchsanweisungen“- mein Bücherschrank quoll über davon – bis ich mir mal ernsthaft Fragen gestellt habe wie „Will ich wirklich, dass „die Welt“ so aussieht, wie ich (andere) sie sich denken(!)?“ oder „Wer wünscht da eigentlich? Mein „großes ICH“ (hat das Wünsche?), meine kindlich verletzte unverarbeitete Allmachtsphantasie, mein verletztes inneres Kind, dass nach Liebe schreit und „Dinge haben will“?.
Ok, genug auf New-Age rumgehackt, seid versichert, ich habe wirklich vollstes Verständnis für diese Weltsicht – nur andersherum meist halt nicht ;o)
Aber nun zur Sache…
Der linke obere Quadrant beschreibt deine subjektive Innensicht dessen, was dir bewusst wird. Was hat das mit dem Thema „Selbständigkeit und Geld“ zu tun?
Hier hatten die Apostel des Wassermannzeitalters schon den richtigen Riecher: Das was du über Geld, Reichtum, „Erfolg“, „den Markt“ etc. denkst, träumst und vor allem fühlst hat natürlich erheblichen Einfluss auf deine Erfolgschancen (und, wie gesagt, es ist ein Viertel der Wahrheit, das ist doch schon was, oder?.
Wenn wir uns mal eine detaillierte Ansicht dieses Quadranten bei Wilber ansehen, dann kann man noch ein paar weitere hilfreiche Entdeckungen machen:
Bitte mal nur auf den Bereich „Oben-Links“ konzentrieren (der ist schon unverständlich genug ;o)Wie oft fällt auch hier das Dilemma der integralen Darstellung sofort ins Auge: Fremdwörter soweit der Blick reicht… Die Stufen 1-10 (Aufnehmen, Reizbarkeit bis Begriffe) sind wenigstens noch halbwegs allgemeinverständlich – auch wenn bei genauerem Überlegen z.B. die Frage nach dem Unterschied von „Begriffe“ und „Symbole“ aufkommen könnte (kapier ich auch grad nicht, macht aber nix, dass muss man locker nehmen, man muss nicht alles verstehen, um sinnvoll denken und handeln zu können).
Und die Abkürzungen „konop“, „formop“ sind natürlich köstlich unverständlich – Lachen hilft immer, wenn man nichts kapiert – hab ich mir vom Dalai Lama abgeschaut, der macht das glaube ich auch oft. (Wen´s interessiert: Die Begriffe stammen von dem Schweizer Entwicklunspsychologen Jean Piaget und bezeichnen kindliche Phasen der Verstandesentwicklung: „konop“ heißt „konkret operationale Phase“, d.h. das Kind kann in Gedanken mit konkreten Objekten oder Vorstellungen „arbeiten“, also sich z.B. „im Kopf“ vorstellen, wie man ein Glas Wasser einschenkt (ca. ab 7-12 Jahre). „Formop“ bedeutet „formal operationale Phase“, als die Stufe wenn ein Kind nicht mehr nur mit konkreten Objekten denken kann, sondern über Gedanken nachdenken und damit umgehen kann (ca. ab 10-12 Jahren).
Der Pfeil mit den Zahlen bedeutet, dass es innerhalb dieses Quadranten eine natürlich Hierarchie und Abfolge der Stufen gibt. Also, ohne „Aufnehmen“ keine „Reizbarkeit“, ohne „Reizbarkeit“ keine „Empfindung“ usw. die Begriffe bezeichnen also immer komplexere, reichere, tierefe (oder höhere, wie du willst) innere Zustände.
Mein Gott ist da viel los in mir!
Genau dass ist der Punkt, auf den es mir hier annkommt: Dieses Diagramm zeigt, dass selbst eine (immer noch) sehr vereinfachte Darstellung deines subjektiven Innenlebens einen RIESIGEN Forschungsraum der „Selbsentdeckung“ aufzeigt. Und jeder einzelne Aspekt hat natürlich etwas mit „Dir und deinem Geschäft“ zu tun hat.
Deine Bedürfnisse formen deine Gedanken, deine Gedanken formen deine Gefühle, deine Gefühle formen deine Gestimmtheit, deine Gestimmtheit formt deinen Charakter usw. Dies wäre eine andere Beschreibung einer zunehmend komplexeren Beschreibung deines Innenlebens.
Auf jeder dieser Stufen (Bedürfnisse, Gedanken, Gefühle…) kannst und solltest du viel Zeit verbringen, wenn du Klarheit in die Grundlagen deines „Reichtums“ bekommen möchtest. Das kannst du z.B. mit dem Thema „Geld“ machen und dir folgend Fragen stellen:
– Wie würdest du deinen „Geld-Charakter“ beschreiben? Verschwenderisch, großzügig, knausrig…
– Wie empfindest du deine Gestimmtheit zum Thema Geld? Ganz spontan, was „kommt hoch“, wenn du dich damit befasst? Abneigung, Zuneigung?
– Welche differenzierteren Gefühle hast du rund um das Thema Geld?
– Welche Gedanken? Welche Glaubenssätze?
– Welche Bedürfnisse erfüllt dir Geld? Welche erfüllt es nicht?
Na, neugierig geworden? Super, dass nenne ich abgekürzt SIT.
(Sexy Integral Theory ;o)
Yeah, sexy! 😀 Mir geht es auch wie dir, die Fremdwörter klären sich erst so nach und nach. Und für den Nutzen von Integral geht es zunächst auch ohne.
Zur New-Age-The-Secret-Bleep-Auffassung: Ich wohne momentan mit einem Pärchen, von denen vor allem er immer wieder davon spricht, dass man eine Situation mit seinen Gedanken und seiner Aufmerksamkeit erschafft. Und wenn man sich dann engagiert und „committed“ ist, unterstützt einen das Universum in dem was man will. Mir geht die Terminologie ziemlich auf die Nerven. Hat auch für mich eine Menge mit magischem Denken und der Hoffnung darauf, GENAU das zu bekommen, was man sich vorstellt, zu tun. Das an sich ist ja verständlich, ich hab damit ja auch experimentiert, als ich jünger war. Aber es ist wie gesagt nur die „viertel“-Wahrheit und lässt vor allem die intersubjektive und systemische Perspektive vollkommen raus. Und dann merkt man eben nicht, dass man es da mit kulturellen Irrtümern oder Beschränkungen durch Institutionen zu tun hat, statt mit Gedankenblockaden. Wie weit kann uns das bitte bringen? Abgesehen davon verpasst man beim Fokus auf ein Resultat auch die wunderschönen Wachstumsmöglichkeiten und Gelegenheiten für Kreativität, die einem die Nicht-Erfüllung der eigenen Wünsche bietet. Darauf will ich nun echt nicht verzichten.
Um die Geldfragen kümmer ich mich mal. Danke für die Anregung, ich merk, dass da was zum Bearbeiten ist…
Niklas »
Hallo Niklas,
freut mich, wenn dich der Beitrag angeregt hat. Gerade für das Thema „Gedanken erschaffen eine Situation“, dass du ansprichst, finde ich die Gewaltfreie Kommunikation in Kombination mit „integralem Wissen“ sehr hilfreich. Denn natürlich haben Gedanken (mit den verbundenen Gefühlen) einen Einfluss auf das, was in den „linken Quadranten“ passiert – einfach, weil dort alles subjektive, innerliche abläuft. Und es ist denke ich unzweifelhaft, dass ich z.B. mit meiner Partnerin auf einer emotionalen Ebene in „Resonanz“ stehe (allerdings muss man mit diese Begriff aufpassen, der wird auch gerne „new-age“-mäßig überfrachtet), d.h. sie merkt sehr schnell wie es mir geht und reagiert darauf – also „schaffe“ (besser: beeinflusse) ich die Gesprächssituation.
Völlig anders sieht dies natürlich in den „rechten Quadranten“ aus, einem Stein ist so was von egal, was ich über ihn denke ;o) Und die behaupteten Versuche, Materie durch Gedanken direkt zu beeinflussen, na ja, es mag möglich sein, aber der hiebfeste Nachweis steht meines Wissens noch aus. Und überhaupt, warum sollte man das wollen?
Das ist für mich das Hauptargument gegen dieses „Ich-denke-also-erschaffe-Ich“-Thema: Meine Partnerin tut NICHT immer das, was ich denke, dass sie tun sollte. Gerade liegt doch die spannende Spielwiese meines und ihres „Egos“, der gemeinsame Tanz im Menschsein – da ist die Beeinflussung von Materie nun wirklich langweilig dagegen, oder?
Hallo Markus,
da muss ich zustimmen. Gerade die Herausforderung, dass es nicht direkt so funktioniert, wie ich will, sorgt für den Kontrast, durch den ich überhaupt merke, dass etwas passiert. Ich erinnere mich da an Alan Watts, der diesen Punkt mit der Vorstellung illustriert, man könne träumen was man wolle. Und nachdem man das getan habe, sich all seine Wünsche und Phantasien erträumt habe, wünsche man sich, dass etwas nicht so passiere, wie man es wollte. Man sehne sich nach einer Überraschung. Und genau so könnte es eigentlich sein… ergibt für mich wenigstens Sinn, denn zu spielen und zu tanzen, kreativ nach neuen Lösungen zu forschen, ist wohl das, was einem am ehesten einfällt, wenn es nichts „notwendiges“, d.h. Angst besetztes zu tun gibt.
Auch im rechten oberen Quadranten gibt es übrigens ein Korrelat zur Resonanz. Du hast sich schon von den Spiegelneuronen gehört, oder? Sie sind sowohl aktiv, wenn ich z.B. wütend bin, wie wenn du wütend bist und ich dein Gesicht sehen oder deine Stimme hören kann. Sie simulieren quasi das Gefühl, was der andere haben muss, basierend auf dem, was er kommuniziert, verbal, durch Gestik und durch Mimik. Wenn ich empathisch bin, ist meine Aufmerksamkeit auf dem, was meine Spiegelneuronen simulieren. Ich sehe ihre Aktivität als Bindeglied und Korrelat für das, was im linken unteren Quadranten „mutual understanding“ genannt wird.
Interessant finde ich übrigens noch, dass die Spiegelneuronen blockiert sind, wenn Stress im Spiel ist. Je mehr Stress im Spiel, desto weniger Empathie, weniger Resonanz ist möglich. Abgesehen davon ist mein Verständnis deiner Emotionen auch darauf beschränkt, wie gut ich meine eigenen kenne und benennen kann. Ansonsten simulieren mir meine Spiegelneuronen etwas, was ich in mir selbst nicht benennen kann.
Das heißt, auch im rechten oberen Quadranten kann man Beobachtungen machen, die den Aussagen der linken entsprechen. Das heißt aber nicht, dass man das eine auf das andere reduzieren kann. Die Formulierung „Die Gedanken erschaffen die Realität“ hat immer noch nur in den linken Quadranten Gültigkeit.
Gruß
Niklas
Sehr schön, daß jemand „positiv denken“ mal mit Wilbers 4 Quadranten zusammenbringt. Ich hatte mir bisher noch nicht die Mühe gemacht, über dieses Thema nachzudenken. Wenn ich aber nun schon mal dabei bin – was ist, wenn das „Kreieren“ auch noch zusätzlich den feinstofflich- (und – weil dort die Quadranten transparent werden) transpersonalen Zustand braucht? Oder vielleicht sogar nur dann funktioniert, wenn es ganz aus einem subtilen Zustand kommt bzw. der Wunsch der dortigen geistigen Blaupause wenigstens nicht widerspricht? Bisher gehen wir ja immer davon aus, daß das alles im grobstofflichen Zustand klappt. Von allen Menschen, von denen behauptet wird, daß sie so etwas wirklich konnten (Sai Baba, Yogananda, irgendwelche Schamanen, etc.) ist bekannt, daß sie in diesen Momenten eben NICHT im normalen grobstofflichen Wachbewußtsein sind. Also nehme ich mal an, daß eine Kreation am ehesten gelingt, wenn die 4 grobstofflichen Quadranten in Einklang mit der feinstofflichen Blaupause sind. (Den kausalen Zustand können wir getrost vernachlässigen, weil dieser ja per definitionem leer ist und positiv denken ja etwas sehr konkretes ist).
Herzlich
Wulf Mirko
@Wulf Mirko Weinreich: Hallo Wulf Mirko, freue mich sehr über deinen Kommentar – obwohl ich auch erst etwas „erschrocken“ war, weil ich dich als Autor von „Integrale Psychotherapie“ und profunden Kenner der Materie sehr schätze und dann kam gleich der Gedanke auf „oho, hoffentlich habe ich, Markus, da keinen Quatsch verzapft“. (und wenn würde ich es gerne wissen, ich lerne gerne dazu!)
Deine Gedanken zum „gedanklichen Erschaffen von Wirklichkeit“ und den Bewusstseinszuständen finde ich sehr anregend und ich teile sie. Wenn ich die „Wunschdenker“ richtig verstanden habe, sind sie sich des „subtilen“ Bereichs (und der Wichtigkeit) ja durchaus bewusst – und verwenden diesen ja teilweise auch (s. z.B. die Silva Mind Methode u.ä.), legen Wert auf die Einbeziehung von Bildern, Gefühlen, Visionen, Trancezuständen etc.
Der Punkt für mich ist, dass ich in diesem Bewusstseinszustand normalerweise wenig(er) Kontrolle darüber habe was „hochkommt“ (je tiefer, je weniger) – was dann eben weniger „Erschaffung von Wirklichkeit“ ist – sondern oft eher „Klärung“ oder „Zu- oder Loslassen“. Das bewusste „Steuern von Gefühlen“ bleibt meiner Meinung nach eben zu „oberflächlich“ und wird daher auch die Realität nicht wirklich kratzen.
Eine Frage: Was meinst du mit „geistiger Blaupause“? Eine Art „innerer seelischer Fahrplan“, dem man auch mit noch so viel Wunschdenken nicht „entkommt“, oder etwas ganz anderes?
Mit herzlichen Grüßen
Markus Sikor