Konflikte in Gruppen gehören für die meisten Mediatoren und Trainer zum „Kür-Programm“. Ich höre oft, dass „frische“ Mediatoren sich eine Paarmediation zutrauen, aber sich „noch lange nicht an eine Team-Mediation wagen.“
Aus vielen Beratungen und Supervisionen habe ich den Eindruck, dass dies weniger daran liegt, dass die Mediatoren nicht wissen, wie sie methodisch vorgehen sollen. Natürlich gibt es bei der Team-Mediation methodisch Unterschiede zur Paarmediation – wer sich darüber informieren möchte, dem liege ich z.B die „Klärungshilfe 2 – Konflikte im Beruf“ von Christoph Thomann ans Herz. Aber meiner Erfahrung nach liegt die größte Herausforderung bei der Team-Mediation nicht im methodischen Vorgehen, sondern in der Angst der Mediatoren vor Gruppen.
Trainer und Mediator in Gruppen – oft ein einsamer Job
Mit „Angst vor einer Gruppe“ meine ich die Angst davor, aus einer Gruppe ausgeschlossen zu werden, nicht mehr „dazu zugehören“. Vielen ist nicht klar, wie stark diese Angst werden kann und dies ist eine sehr häufige Ursache dafür, dass sich Mediatoren mit der Konflikt-Arbeit und Mediation in Gruppen schwer tun.
Das Problem ist nun nicht die Angst an sich. Sie ist nur der Hinweis darauf, dass wir Menschen soziale Wesen sind – wir fühlen uns entspannter und wohler, wenn wir den Eindruck haben, „gemocht zu werden“, „dazu zugehören“ etc. D.h. die Angst weist uns lediglich auf das Bedürfnis nach Zugehörigkeit hin, das nicht erfüllt ist.
Das Problem ist, dass du dieses Bedürfnis während deiner Arbeit mit Gruppen nicht oder zumindest nicht so erfüllen kannst, wie du dies aus anderen Zusammenhängen gewohnt bist, oder anders gesagt: Die Arbeit als Trainer- und Mediator wird sich oft schmerzhaft einsam anfühlen – das ist normal.
Nett-sein-Wollen ist nicht die Lösung, sondern das Problem,
Als Trainer oder Mediator bist du kein „normales“ Mitglied der Gruppe, sondern hast aufgrund deiner Rolle einen anderen Status bzw. bekommst ihn von den Teilnehmern zugeschrieben. D.h. die Teilnehmer denken anders über dich, als über den Rest der Gruppe. Das an sich ist noch nicht schmerzhaft – schmerzhaft sind deine Gedankenmuster, die sehr schnell und unbewusst auftauchen, wenn eine Gruppe dir verbal und non-verbal mitgeteilt wird, dass „du nicht wirklich dazugehörst“. Gedankenmuster wie „Keiner mag mich“, „Ich bin nicht gut genug“, „So wie ich bin, werde ich ausgeschlossen“ etc. Diese Muster sind meist in der Kindheit und Jugend entstanden, wo deine Zugehörigkeit mehr oder weniger überlebenswichtig war. Etwaige schmerzliche Erfahrungen aus dieser Zeit werden dann bei Mediatoren während der Arbeit mit Gruppen wieder lebendig.
Da wir als Mediatoren und Konflikttrainer die Beteiligten ständig mit der Nase auf schmerzliche Themen stoßen, wundert es nicht, dass wir uns damit dich nicht sonderlich beliebt machen. Es kann also gut sein, dass einige Teilnehmerinnen dich wirklich „nicht mögen“ weil du sie mit Themen konfrontierst, die sie lieber nicht ansehen möchten. Der größte Fehler, den man dann aus Angst machen kann ist, „nett“ sein zu wollen um diese Konfrontation zu vermeiden und es den Teilnehmern oder Klienten vermeintlich leichter zu machen. Denn wahrscheinlich willst du es dir nur selber einfacher machen – Konfrontation ist nicht angenehm, eben weil sie Ängste auslöst – die Konfliktlösung, Heilung alter Verletzungen und menschliches Wachstum wird dadurch jedoch schwerer, nicht leichter.
Die Ängste ans Licht holen
Es ist also völlig normal, vor allem zu Beginn einer Tätigkeit als Trainer oder Mediatorin, dass du dich oft einsam und allein fühlst – nur, angenehm ist es natürlich nicht. Wie also damit umgehen? Wie kann man die eigenen Ängste ans Licht holen und sie verändern?
Verdrängen, „Weg-Rationalisieren“ („ist nicht so schlimm“) oder „Positiv Denken“ („ich bin sicher und ruhig“) bringt wenig und wenn, dann nur kurzfristige Entspannung – die Ängste suchen sich immer einen Weg, um auf sich hinzuweisen. Mir hat es geholfen, zu erkennen, dass hinter allen Ängsten Gedanken stehen, die mich auf (scheinbar oder real) unerfüllte Bedürfnisse hinweisen.
Der Weg Ängste dauerhaft zu verändern geht nur über bewusstes Erleben der Gefühle und der damit verbunden Bedürfnisse. Das heißt der Weg führt durch die schmerzlichen Gedanken und Erinnerungen und nicht daran vorbei. Denn nur über den körperlich spürbaren Kontakt mit Gefühlen erlebt man einen authentischen Kontakt zu den Bedürfnissen, die gelebt werden wollen.
Im Feuer meiner Angst
Anfangs war dabei meine „Angst vor der Angst“ größer war als die eigentliche Angst selbst. Ich hatte also Angst davor, mich mit meinen Gedanken auseinander zu setzen, weil es einen tiefen, schmerzhaften Glaubenssatz bestätigen könnte, dass ich „tief drinnen doch falsch/schlecht/ungeliebt etc. bin“. Mit Unterstützung durch erfahrene Begleiter wurde es jedoch leichter.
In Seminaren bieten wir die Übung „Im Feuer meiner Angst“ an (angeregt von einer GFK-Trainerin aus den USA, deren Namen ich leider vergessen habe). Die Übung dient dazu, sich die eigenen Gedanken und die damit verbundenen Gefühle und Bedürfnisse bewusst zu machen. Sie hat sich als sehr hilfreich erwiesen, erfahrungsgemäß ist es einfacher, diese Übung anfangs mit jemand zusammen zu machen. Hier die Anleitung „Im Feuer meiner Angst “ als PDF zum herunterladen.
Hallo,
danke für den Artikel.
Angst hatte ich früher sehr oft und habe dann oft den Gruppenzwang nachgebenen, um halt Anerkennung zu bekommen und nicht alleine zu sein.
Leider hatte das auf Dauer mein Selbstwertgefühl noch geringer gemacht.
Heute mag ich mich, so wie ich bin und habe auch meine eigene Meinung.
@Arno: Hallo Arno,
habe deinen Kommentar erst jetzt entdeckt. Wie du schreibst, so erlebe ich es auch als sehr schwierig, sich dem „Gruppenzwang“ (es ist für mich eher mein eigener, innerer „Zwang“ z.B. gemocht zu werden) zu entziehen. Ein Weg da klarer zu werden ist sicher, das eigene Selbstwertgefühl zu betrachten – was an sich ja schon meinen Selbst-Wert steigert, weil ich anfange mich ernst zu nehmen. Ich habe mal einen interessanten Vortrag auf einer Tagung gehört, in dem der Referent sagte, dass nachweislich „schlechte Gruppenentscheidungen“ (z.B. die Entscheidung das Space Shuttle, dass vor vielen Jahren abgestürtzt ist, trotz bekannter Mängel starten zu lassen), damit zu tun haben, dass die Teilnehmer nicht auf ihre innere Stimme hören, um ihre eigene Meinung zu vertreten – insofern wünsche ich dir viel Klarheit und Mut, deinen Meinung weiter zu vertreten!
Mit herzlichen Grüßen,
Markus Sikor
Lieber Markus,
habe jetzt erst deinen Artikel gelesen zum Thema Ängste als Mediator, und habe gleich die Übung runtergeladen. Bin dir dankbar, dass du dich mit dem Thema auseinandergesetzt hast und uns (mich 🙂 ) teilhaben lässt an deinen Erfahrungen. Das finde ich sehr erleichternd. Ich habe schon sehr unangenehme Ängste gehabt in speziell einer Mediation, und bin dadurch in eine Spirale gestrudelt, die mich viel Kraft gekostet hat. So schlimm ist es aber nie mehr geworden. Und jetzt habe ich ja eine Methode, die ich anwenden kann. Das gibt Sicherheit.
Ich war vor 2 Wochen auf Schloss Glarisegg, weil dort ein Kollege/Freund ein Fest gefeiert hat und habe bei der Gelegenheit gesehen, dass du und Alexandra dort auch einen Kurs gebt. Ein herrlich gelegener Ort mit viel Atomosphäre. Viel Erfolg dabei!
Ich würde übrigens immer noch gern einen Kurs machen, wie den, den du schon mal vor 2 Jahren vorhattest, der wegen geringer Tn-Zahl nicht zustande kam. Weißt du noch? Etwas in Richtung: GfK für Trainer in der Gruppe. Hast du es noch im Plan?
Ich hoffe, dir geht es gut!
Liebe Grüße
Monika
Hallo Monika,
vielen Dank, ich freue mich über deinen Kommentar! Zu deiner Frage für das GFK-Seminar für Fortgeschrittene und Trainer schreibe ich dir eine extra Mail.
Mit herzlichen Grüßen,
Markus Sikor