Wir sind noch immer sehr unter dem Eindruck des GFK-Trainertreffens in München vor ein paar Wochen, auf dem wir nicht nur die gerade gegründetete NVC Trainerakademie vorgestellt haben, sondern auch sehr unterschiedliche Grundverständnisse in der deutschsprachigen GFK-Landschaft offensichtlich(er) geworden sind. Wir begreifen das Trennende für uns bislang in folgender Frage:
Ist die GFK vor allem eine Kommunikationsmethode, bei der es um das Erlernen einer gewaltfreien „(Bedürfnis-) Sprache“ geht, oder aber ein Schulungsweg für Persönlichkeit und eine gewaltfreie „Haltung“, um bewusster und authentischer zu kommunizieren? Wir erleben im Moment unter „Giraffen“ nicht so viel Übereinstimmung – wie wir erwartet hätten – wenn wir sagen: Im Zweifelsfall lieber “unperfekt und ehrlich” als “perfekt gewaltfrei“.
Die GFK-Landschaft scheint auch weltweit in einer Phase der Neuorientierung und Klärung: Marshall Rosenberg selbst hat sich gerade aus dem von ihm begründeten „Center for Nonviolent Communication“ (CNVC) zurückgezogen und die Zukunft dieser Organisation ist über den Mai dieses Jahres hinaus aktuell sehr ungewiss. Gerade auch auf diesem Hintergrund können wir derzeit niemandem empfehlen, jetzt das IIT (International Intensiv Training) zu besuchen, welches es in Deutschland nach vielen Jahren wieder einmal – diesmal ohne Marshall – geben wird. Es ist zwar für eine Zertifizierung zum Trainer für Gewaltfreie Kommunikation noch immer Voraussetzung, jedoch ist leider auch der seit 2010 wieder aufgenommene Zertifizierungsprozess des CNVC im deutschsprachigen Raum momentan aus unserer Sicht (noch) nicht zu empfehlen. Eine Schlussfolgerung, die wir aufgrund eigener Erfahrungen und nach vielen Gesprächen mit Assessorinnen leider schmerzlich getroffen haben.
Wir hoffen weiter zur Klarheit in verschiedenen offenen Fragen, der Verständigung zwischen den sich gerade herauskristallisierenden „GFK-Lagern“ und auch zu mehr Transparenz in der Ausbildungslandschaft beitragen zu können. Dazu haben wir für Ende Juli zu einer Ausbilderkonferenz für Gewaltfreie Kommunikation eingeladen.
Es ist für uns im Moment oftmals anstrengend und traurig, so wenig Gemeinschaft unter den „Gewaltfreien“ zu erleben. Eine Gemeinschaft mit der Qualität auch von Ehrlichkeit und Empathie, die für uns einfach wesentlich ist. Stattdessen erleben wir in der GFK-Landschaft eine sehr ausgeprägte Kultur des gemeinsamen „Feierns“ und Wertschätzens – selbst wenn Konflikte schwelen und eigentlich die „Hütte“ brennt … (ts)
Hallo Thomas,
ich verstehe den Zusammenhang zu deinem letzten Absatz nicht. Was ist die Beobachtung zu deiner Interpretation dass „die Hütte brennt“? Der Konflikt auf dem Münchner Trainertreff?
Irgendwie vermisse ich auch in deinem Beitrag genau die Transparenz, von der du schreibst. Du schreibst von „Feiern“ in Anführungszeichen und ich interpretiere es als würde da der Vorwurf der Verdrändung drinstecken.
Du schreibst, ihr könnt niemandem zum IIT raten, und als einzige Begründung kann ich erkennen, dass die Zukunft des CNVC ungewiss ist. Ich frage mich dann, ob das IIT an sich keinen Wert hat, nur als Zertifizierungsbaustein? Oder ob es nicht sogar damit zu tun hat, dass dort ein Trainer mitmacht, der anderer Meinung ist als ihr?
Du schreibst, dass auch die Zertifizierung derzeit aus eurer Sicht noch nicht zu empfehlen ist, und auch dazu würde ich gerne Gründe lesen. Sonst bleibt das für mich irgendwie vage, unkonkret, destruktiv. Ich denke da an „sag nicht was du nicht willst, sag was du willst“.
Magst du zu meinen Fragen und Interpretationen was schreiben?
Gruß,
Markus
Hallo Markus,
„die Hütte brennt“ während gefeiert wird – dieses Bild habe ich natürlich auch provokativ gemalt, letztlich um zu mehr Transparenz, Klärung und Verständigung beizutragen. Und ich bin mir bewusst, das diese Einschätzung auf dem Hintergrund getroffen ist, das es uns von der NVC Trainerakademie um eine Gemeinschaft geht, in der Konflikte und auch (lebensdienliche) Bewertungen offen angesprochen werden, in der Konflikte wo möglich zeitnah geklärt werden, Transparenz und Ehrlichkeit ebenso wichtig sind wie Wertschätzung und Empathie, wir an sozialem Wandel und daher an Qualität und Integrität in der GFK interessiert sind – ganz im Sinne von Marshalls Vision. Grundlage unserer Einschätzung sind viele Beobachtungen, die wir hier jedoch nicht alle öffentlich machen wollen, aus Schutz für einzelne Personen und weil das sicherlich den Rahmen sprengen würde.
Mit all diesem im Gepäck sehen wir u.a. vier kritische Bereiche in der GFK-Landschaft derzeit:
1. CNVC, IIT und CNVC-Zertifizierung:
Wir halten es derzeit nicht für verantwortlich, das der CNVC Menschen, die vielleicht darauf hoffen CNVC-Trainer zu werden, für ein IIT oder die Zertifizierung wirbt und zahlen lässt, ohne gleichzeitig die aktuelle Situation des CNVC offenzulegen. Unseres Wissens nach ist es ungewiss, wie das Verhältnis zwischen Marshall und dem CNVC ab Mai geregelt sein wird; ob es also den CNVC mit entsprechenden Rechten an der „Nonviolent Communication“ dann überhaupt noch gibt. Es wird darüber entsprechende Verhandlungen zwischen Marshalls Anwalt und einem (momentan gesuchten) Anwalt des CNVC geben.
Zum Zertifizierungsprozess: Nach mehrjährigem Zertifizierungsstopp gibt es wieder arbeitende Teams im deutschsprachigen Raum, die jedoch nicht weiter vom CNVC für diese Aufgabe vorbereitet und ausgebildet wurden. Die Erfahrungen, Rückmeldungen und Prozesse, die wir im letzten Jahr gemacht haben (mit vielen Beobachtungen, die wir immer wieder in direkte Gespräche mit Assessorinnen eingebracht haben), haben uns nicht davon überzeugen können, das Qualitätssicherung heute gewährleistet ist.
2. Konflikte rund um den „Fachverband“
In der GFK-Landschaft im deutschsprachigen Raum wurden durch die Gründung eines „Fachverbands“ und der Etablierung einer neuen GFK-Trainer-Anerkennung viele Konflikte ausgelöst, die bis heute nicht geklärt sind, u.a. sehr grundsätzliche mit dem CNVC und innerhalb der Trainergemeinschaft.
3. Grundverständnis der GFK
Wir finden es wichtig, das unter den Trainern die Differenzen und Gemeinsamkeiten (jenseits der, dass wir natürlich alle dieselben Bedürfnisse haben) in diesem Bereich offen angesprochen und geklärt werden, um im gesamten Feld für mehr Orientierung, Klarheit und Transparenz zu sorgen. Genau deshalb haben wir für Ende Juli eine GFK-Ausbilderkonferenz initiiert, an der Vertreter der CNVC-Zertifizierungsteams, des Fachverbands sowie weitere GFK-Ausbilder teilnehmen werden.
4. Organisation der „GFK-Gemeinschaft“
Die GFK-Landschaft ist derzeit verworren vielfältig. Wir sehen einen „Wildwuchs“ an Organisationen, Angeboten, Ausbildungen und Internetangeboten, der die (an Qualität interessierte) Verbreitung und die positive öffentliche Wahrnehmung der Gewaltfreien Kommunikation vermutlich nicht fördert, was für einen größeren Beitrag zum sozialen Wandel durch die GFK aber sicherlich nötig ist.
Herzliche Grüße
Thomas
Ich teile den Gedanken, dass GFK eine Persönlichkeitsentwicklung hin zu Ehrlichkeit und echter Empathie ist und wünsche mir, dass alle auf diesen Zug aufspringen – jetzt, gleich, sofort! Manchmal erdrückt mich der Schmerz, wenn etwas von der Machtpolitik in WEißrussland höre, oder bin zutiefst traurig über den misslungenen Versuch meinem Nachbarn und mir in unserem Streit genug Empathie zu schenken. Jetzt ist er tot.
Ich komme zu dem Schluss, dass ich Geduld brauche. Geduld mit mir, meine Ängste abzubauen, was passiert, wenn ich nicht „nett“ bin. Geduld mit allen anderen, die genauso in ihren Themen gefangen (und blockiert) sind wie ich.
Jahrtausende geprägt von Gewalt, Anerkennung, Macht, Gier gepaart mit einem Verstand, wie man das alles bekommt, einem Verstand, der es noch dazu meisterlich versteht, Gefühle zu unterdrücken, lassen sich nicht so einfach von einer ca von einer Idee vom Tisch fegen, die erst 40 Jahre alt ist.
Doch sind mir unterschiedliche Gruppierungen innerhalb der Idee GFK noch tausendmal lieber, als die verschiedenen Lösungsansätze eines Asad oder Lubischenko.
Und wenn ich nicht darüber nachdenke, wohin sich die Idee GfK womöglich entwickelt, sondern ganz im Jetzt bleibe, sehe ich Menschen mit sehr ähnlichen Bedürnissen: Sie alle suchen einen Weg, ihre Konflikte (innere und äußere) auf HERZEBENE zu lösen.
Hallo Thomas,
Danke für den Input – das macht mich hellhörig . Finde ich gut, wenn jemand sagt, dass die Hütte brennt – zumindest dann, wenn es stimmt.! Dass das der Fall ist, steht für mich nach Deinem Beitrag fest – vermutet hatte ich es schon. Wenn aus einem neuen Lager, das da ohne Zweifel entstanden ist, mitgeteilt wird, dass das IIT nicht empfohlen werden kann, dann ist das ein Brandbeschleuniger…
Spannend aber auch – aus Konflikten – (auch von Konfliktprofis) kann sich ja auch was neues entwickeln.
Herzlichen Gruß
Franz
Genau aus diesem Grund bin ich in keiner GFK-Organisation weil ich mich da unwohl fühle. Dieses „konditionierte“ Denken wie GFK zu sein hat oder GFK ist. Oder noch schlimmer: „Das ist doch keine GFK was du da tust?“. Ich habe einige GFKler kennen gelernt die so statisch daher kamen dass mich das abgestoßen hat. Auch aus diesem Grund besuch(t)e ich keine weiteren Seminare oder „Open Spaces“. Ich habe mich an die Bücher von Marshall gehalten und an seinen ursprünglichen Gedanken: „Dem Leben zu dienen! Drücke klar und ehrlich was du fühlst!“ Und dazu gehört für mich „NICHT“ in einer Organisation zu sein. Was aus Fachverbänden werden kann, können wir an all unsere Religionen sehen. Glaube und eine Haltung lässt sich nicht oktroyieren. Sie wird gelebt!
Es wird in den Seminaren „gepredigt“ konkruent zu sein. Doch bei manchen emfpinde ich das nicht. Gesagtes und „gelebtes“ stehen nicht im Einklang.
http://seiderdubist.blogspot.de/2011/02/es-gibt-kein-wie.html
In diesem Sinne!