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Mit Lern- und Entwicklungsstufen tun sich viele Anhänger der Gewaltfreien Kommunikation als typische Vertreter „grüner„, egalitärer Werte (Spiral Dynamics) im allgemeinen schwer. Die Einsicht, dass Menschen in Bezug auf bestimmte Fähigkeiten nicht „gleich“ sind, ist zwar eigentlich banal (wer würde schon gerne seine Magen-Operation von einem KFZ-Meister durchführen lassen?), aber wenn es um kommunikative Fähigkeiten geht, scheint dies wieder in Vergessenheit zu geraten.Die Betonung der Gleichheit aller Menschen auf der Ebene der Bedürfnisse (die ich teile), wird also so wohltuend und berührend erfahren, dass der Blick auf die Unterschiedlichkeit der Menschen als eine (zu) schmerzhafte „Trennung“ erlebt und lieber vermieden wird.

Meiner Meinung nach hilft hier die Unterscheidung von „Verhalten“ und „Sein“. Auf Seins-Ebene sind wir Menschen alle gleich, gleich wertvoll, gleich schön, alle göttliche Verkörperungen des „Einen Geists“.
Auf Verhaltensebene sind wir unterschiedlich und manchmal sogar einzigartig. Hier kommt die Individualität jedes einzelnen ans Licht der Welt. Ein kompetenter Mediziner kann Leben retten – aber kein Auto reparieren.

Auf Verhaltensebene gibt es eine natürliche Abfolge im Lernen, die man mit oft mit den Ebenen präkonventionell, konventionell, postkonventionell bezeichnet (s. auch hier). Wenn jemand, um bei dem Beispiel aus der Medizin zu bleiben, an meinem Magen herumschnipselt, wäre mir sehr recht, er wäre gut ausgebildet und würde die Regeln kennen (konventionelle Stufe), ja besser noch, diese völlig integriert (nicht übersprungen!) haben und dann seiner Intuition vertrauend arbeiten (postkonventionell).

Lern- und Entwicklungsstufen lassen sich nicht überspringen – weder in der menschlichen Sprachentwicklung (erst Laute, dann Wörter, dann Sätze) noch in der Fähigkeit die „Gewaltfreie Kommunikation“ („Giraffensprache“) in sein Leben zu integrieren. Marshall Rosenberg beschreibt daher in seinen Seminaren oft die Stadien „Wolf“, „Baby-Giraffe“ und „Giraffe“.Die psychologische Forschung zeigt, dass alle menschlichen Entwicklungslinien (Kognition, Moral, Selbstwahrnehmung, Bedürfnisse etc.) ähnliche Wachstumsstrukturen aufweisen.
So verläuft bspw. die moralische Entwicklung des Menschen von „Ich“ (egozentrisch, Kleinkinder), über „Wir“ (ethno- oder soziozentrisch, Jugendliche / Erwachsene) zu „Wir alle“ (weltzentrisch, manche Erwachsene).

Hier ein paar Beispiele für Entwicklungsstufen aus der psychologischen Forschung, die weithin anerkannt sind:
Jean Piagets Entwicklungsstufen
Kohlbergs Stufen der moralischen Entwicklung
Carol Gilligans Stufen der moralischen Entwicklung
Robert Keagans Stufen der Selbstentwicklung (engl.)
Wertestufen nach Clare W. Graves (Spiral Dynamics)
Bedürfnisstufen nach Abraham Maslow

Wer sich wundert, dass er/sie immer wieder „zum Wolf wird“ (d.h. völlig in die Abwertung des Gegenübers zurückfällt) kann sich selbst, natürlich liebevoll, daran erinnern, dass es in der Gewaltfreien Kommunikation mindestens drei Lernstufen gibt:

1. Basis-Kenntnisse
Verständnis der ersten vier Schlüsselunterscheidungen (Beobachtung – Bewertung, Gefühl – Gedanke etc.), Ziel der Gewaltfreien Kommunikation u.a.

2. Fähigkeiten
Selbst-Empathie, Identifizierung – Differenzierung von Gefühlen/Gedanken, Empathie in andere u.a.

3. Fähigkeiten-Set
Verständnis herstellen und Verstanden werden, Schleife der Kommunikation – „Tanz von Ehrlichkeit und Empathie“ („Giraffentanz“) u.a., Transformation von Gefühlen

Darüber hinaus gibt es die komplexe Anwendung all dieser Fähigkeiten und Kenntnisse in speziellen Beratungssituationen, d.h. es gibt Multiple-Fähigkeiten-Sets wie Mediation, Coaching, Training etc.

So wie niemand erwartet, dass man in einer Fremdsprache sofort grammatisch korrekte Sätze spricht, so sollte niemand von sich (oder anderen) erhoffen, die typischen Lernstufen in der Gewaltfreien Kommunikation zu überspringen

Erst kommen die Schritte, dann der Tanz :o)

Bildquelle: gabriele Planthaber pixelio.de