Im letzten Artikel zu diesem Thema habe ich einige grundsätzliche Bedingungen zur Persönlichkeitsentwicklung im Seminar angesprochen. Meine wesentliche Aussage ist: “Weniger ist mehr im Seminar”. Weniger Methoden, weniger Theorie, weniger Flipcharts, weniger Rollenspiele, weniger konstruierte Übungen und Spielchen. Dagegen braucht es “Mehr vom Wesentlichen”: Mehr emotionale Beteiligung, mehr authentische Begegnung, mehr ehrliches Feedback, mehr Raum und Zeit für das “Zu-sich-Kommen” und die Auseinandersetzung mit persönlichen und emotional berührenden (!) Fragen und Themen.
EasyTrainer oder PerfectTrainer?
Den letzten Anstoß für die Gegenüberstellung von PerfectTrainer <-> EasyTrainer bekam ich, als ich wieder mal eine Ausschreibung zur „Ausbildung als Kommunikationstrainer“ in die Hand bekam: 15 Tage Ausbildung, zertifiziert von irgendeinem Berufsverband, inhaltlich gefüllt mit allem was die Weiterbildungsszene im Angebot hat. Die gesamte Ausbildung war durchgeplant von Anfang bis Ende, und prall gefüllt mit Dutzenden Methoden, Theorien und „Kompetenzen“. Den „Werkzeugkoffer füllen“, die „Methodenkompetenz updaten“ – so sehen viele Trainerausbildungen aus. Keine Zeit für Selbstreflexion und die unplanbaren (!), emotionalen Prozesse, die für eine nachhaltige Persönlichkeitsentwicklung notwendig sind.
Mir ist klar, dass der Verzicht auf übliche Seminarstrukturen, also die Arbeitsweise des EasyTrainers, für viele Trainer ein Sakrileg ist – dennoch möchte ich hier ganz klar sein: Die meisten Tools im Werkzeugkoffer von PerfectTrainern verhindern Persönlichkeitsentwicklung, anstatt sie zu fördern!
EasyTrainer – in 10 Jahren zu 10 Minuten
Ein Kollege erzählte mir mal diese Geschichte: In einer recht teuren Fortbildung fragten die Teilnehmer den Seminarleiter, wie lange er sich eigentlich auf das Seminar vorbereite. „10 Minuten“ war die Antwort. Erstaunte Stille, dann wurden einige Teilnehmer wütend. 10 Minuten Arbeit, für eine Fortbildung, die sie ein Monatseinkommen kostet! Nachdem die erste Entrüstung vorüber war, fragte der Seminarleiter die Teilnehmer „Und wisst ihr auch, wie lange ich gebraucht habe, um so ein Seminar in 10 Minuten vorzubereiten?“
Seine Antwort: „10 Jahre“.
Die Geschichte drückt eine wichtige Erkenntnis aus auf dem Weg zum EasyTrainer: Man wird dies nicht über Nacht,auch nicht in einer Woche oder einem Jahr. Ich bereite mich mittlerweile auf ein Seminar gar nicht mehr vor, hat aber auch einige Jahre gebraucht, bis ich da war. Wenn Sie aber den Impuls zum „EasyTrainer“ ernst nehmen und Schritt für Schritt gehen, werden auch Sie feststellen, wie viel leichter und befriedigender die Arbeit als Trainer sein kann.
Die Denk-Wende vom PerfectTrainer zum EasyTrainer
Um die wesentlichen Unterschiede zu üblichen Seminaren deutlich zu machen, nenne ich das Gegenstück des EasyTrainers den PerfectTrainer.
Der EasyTrainer hat ein grundsätzlich unterschiedliches Verständnis vom Ziel eines Seminars und definiert daher auch seine Verantwortlichkeit völlig anders als der Perfect Trainer.
- Ziel des EasyTrainers ist, die Teilnehmer in ihrer Selbstverantwortung zu stärken; das Ziel des PerfectTrainers ist es dagegen, auf alle Fragen und Probleme der Teilnehmer eine (er-)lösende Antwort zu geben.
- Der EasyTrainer unterstützt seine Teilnehmer dabei, sich ihrer Bedürfnisse bewusst zu werden; der PerfectTrainer dagegen möchte, dass die Bedürfnisses der Teilnehmer erfüllt werden – möglichst im Seminar und möglichst von ihm (zwecks der Anerkennung).
Die wichtigste Frage: Wer ist wofür verantwortlich?
Der EasyTrainer bringt seine Teilnehmer in Kontakt mit sich selbst: Mit ihren Sehnsüchten und Hoffnungen, ihren schönen und ungeliebten Seiten, ihrem Potential und ihren Defiziten. Wenn man nun, wie ein EasyTrainer, die Teilnehmer in einen echten Kontakt mit sich selbst bringt, werden sie daher oft unzufrieden, unruhig, ungeduldig. Das ist ein positives Zeichen, weil sie mit ihren ungeklärten Fragen und unerfüllten Bedürfnissen in Berührung kommen!
Der PerfectTrainer dagegen sieht sich für die Erfüllung der Teilnehmerbedürfnisse verantwortlich. Er empfindet es als Versagen, wenn seine Teilnehmern unruhig und ungeduldig werden – und bemüht sich schnellstens darum, dass es allen wieder gut gut. Dieses „pampern“ bringt die Teilnehmer jedoch wieder weg von sich, zurück in ihre Komfortzone.
Dieser „shift“ in der Verantwortung bringt 99% der besonderen „Easy-Qualität“ in ein Seminar. Überlegen Sie mal, falls Sie schon als Trainer arbeiten, was sich alles ändern würde, wenn Sie sich zwar für die Bewusstwerdung, aber nicht für die Erfüllung der Teilnehmerbedürfnisse verantwortlich sehen würden?
PerfectTrainer und EasyTrainer plakativ gegenübergestellt
PerfectTrainer | EasyTrainer |
Ist (zu) sehr abhängig von der Wertschätzung (mehr extrinsisch motiviert). Anerkennung und Zufriedenheit der Teilnehmer. Alles sollen sich immer wohl fühlen. | Hat ein stabiles Selbstwertgefühl auch bei „Gegenwind“ (mehr intrinsisch motiviert). .Hat die Gefühle und Bedürfnisse der Teilnehmer im Blick, nimmt sie ernst – sieht sich aber nicht verantwortlich für deren Erfüllung |
Leerlauf ist Tabu.Muss den Teilnehmern ständig etwas bieten und sie beschäftigt halten. | Stille und „Nichts-tun“ bringen Teilnehmer in Kontakt mit ihren wesentlichen Gedanken, Gefühlen und Bedürfnissen.Musst nichts tun, hält Stille gut aus und spürt die Qualität im „Nichts-tun“. |
Gibt die meisten Impulse in die Gruppe | Gibt wenig Impulse in die Gruppe. Wartet, mitunter auch sehr lange, bis Impulse aus der Gruppe kommen. |
Schont seine Teilnehmer, will nicht anecken oder unbequem werden. | Mutet sich den Teilnehmern zu und sorgt dafür, dass Teilnehmer sich selbst zumuten. Bringt Teilnehmer zu sich, auch wenn es dabei unangenehm und „eng“ wird. |
Trägt seine „Trainer-Maske“, hat Angst sich mit Schwäche, Gefühlen und Bedürfnissen authentisch zu zeigen. | Ist authentisch, zeigt sich dem Kontext angemessen und in Selbstverantwortung mit seinen Stärken und Schwächen, Gefühlen und Bedürfnissen. |
Das Seminar (und das Selbstbewusstsein des Trainers) lebt von theoretischen Inhalten. | Das Seminar ist von theoretischen Inhalten bescheiden.Das Seminar lebt von den Gesprächen über das Wesentliche, von der Empathie und Selbst-Entdeckung der Teilnehmer. |
Baut auf die Vermittlung von Inhalten und Theorien. | Baut auf die Lern- und Erkenntnisprozesse beim Teilnehmer, wenn er zu sich und mit seinen Bedürfnissen in Kontakt komment. |
Sieht sich als Entertainer. Sein Motto: Speed up, Nur kein Leerlauf. | Sieht sich als Reiseleiter: Sein Motto: Slow down, langsam bekommt man mehr mit. |
Sucht Sicherheit durch Konakt zur Gruppe in Pausen, Mahlzeiten und Abendprogramm. | Findet Sicherheit in sich und sorgt für seine Bedürfnisse, auch wenn Gruppe enttäuscht ist. |
Kann nicht ohne Flipchart, Moderationskoffer und Pausenspielen arbeiten. | Kommt auch ohne Flipchart und Co. aus. |
Hat eine fixen Zeitplan | Gestaltet den Zeitplan nach den Bedürfnissen der Gruppe |
Grundeinstellung: Immer gut drauf, motiviert, alles ist gut, positiv. Schöndenkerei, Positiv-Denken. | Grundeinstellung: Lieber echt, statt nett. Er desillusioniert, macht Realitätscheck, sticht in Vespennester, sieht was wirklich ist. |
Hoher Zeitpaufwand für Planung und Vorbereitung | Minimaler Zeitaufwand |
Ist nett. | Ist echt. |
Wie man den Sprung vom Perfect- zum EasyTrainer schafft, dazu mehr in Kürze…
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Lieber Markus,
Danke für den interessanten Artikel. Aber liegt die Wahrheit nicht in der Mitte ? – Erstmal kommt es doch drauf an, was gelernt werden soll. Geht es um eine Erforschung der Gefühle und Bedürfnisse, dann ist das setting des easy-Trainers bestimmt stimmig. Geht es aber bspw. um eine Ausbildung in Mediation, so muß schon auch die außere Seite auch zu ihrem Recht kommen. (Methoden, Strukturen, rechtliches know-how, etc.)
Ausgehend von deinem für mich sehr stimmigen Kommentar zum Thema „Integrale Theorie“ müsste man doch bekennen, dass die Welt eben aus diesen 4 Quadranten besteht. Ein perfekter Trainer hat alle im Blick – dh. neben der Innenwelt (Gefühle/Bedürfnisse) halt auch die Technik (bspw. das Doppeln in der Mediation) oder das Wissen um die Kultur der Medianten (unten links) etc. Würde mich interessieren, was Du dazu meinst.
herzlichen Gruß
Franz Hanßler
Lieber Franz, schön, mal wieder von dir zu lesen! Ich haben den „EasyTrainer“ mit Blick auf die Persönlichkeitsentwicklung im Seminar geschrieben. Daher der Fokus auf diesen Bereich. Natürlich, wie du schreibst, braucht es z.B: in einer Mediationsausbildung auch die anderen „äußerlichen“ Aspekte (Recht, Strukturen) – aber nicht, weil damit die Konflikte gelöst werden, sondern weil es formale Anforderungen an die Mediation(sausbildung) gibt. Die Konflikt werden weiter „innen“ gelöst (entweder individuell oder kollektiv).
Zu den „4 Quadranten“. Die sind ja nicht durch die Methode/Inhalte des Trainers festgelegt. Jeder Inhalt, jede Übung etc. im Seminar kann aus diesen 4 Perspektiven betrachtet werden (auch Gefühle/Bedürfnisse haben Aspekte in allen Quadranten). Die Frage für mich ist also, welchen Bereich betont der Trainer. Wenn ich bspw. „Achtsamkeitsmeditation“ lernen möchte, macht es wenig Sinn, die Geschichte der Meditation zu lesen, oder den Dopamin-Gehalt im Hirn zu messen. Sondern ich muss mich hinsetzen und meine Aufmerksamkeit nach Innen richten und beobachten. Genauso sehe ich den Lernprozess der GFK – nicht im „Außen“ rummachen an den Worten, sondern die Aufmerksamkeit und das Bewusstsein schulen… Macht das Sinn? Beantwortet dass deine Fragen?
Herzliche Grüße zurück!
Markus
Lieber Markus,
Danke für deine Antwort. Wie so häufig ist es wohl die Fragestellung, die entscheidet, welche Antwort stimmt. Geht ein Seminar um die Frage der Persönlichkeitsentwicklung, dann stimme ich dir zu. Dann muß man die Teilnehmer zu sich führen – wohin denn auch sonst – . Aber was ist zu sich ? Für stark kopfige Menschen natürlich in deren Gefühl – aber – den Intellekt sollte man dann doch nicht ganz vergessen. Nicht umsonst schreibt Ken Wilber, dass die Stufe des Intellekts insofern die wichtigste Stufe ist, als deren Entwicklung über die Grenze der anderen Entwicklungsstufen entscheidet.
Geht es beispielsweise um eine Mediationsausbildung, dann sind die Techniken natürlich nicht entscheidend für die Lösung der Probleme aber – ohne sie wird es halt auch nicht gelingen, den Medianden bei der Problemlösung zu helfen. Klar muß ich in meiner eigenen Persönlichkeit hinabgestiegen sein – zu mir – um den anderen einfühlsam begleiten zu können.
(Dank deiner Unterstützung habe ich da ja einiges gelernt …!) Aber – meine Ausbildung bspw. bei Christian Prior hat mir gezeigt, dass Wissen – Technik – Struktur mir sehr viel Klarheit und Sicherheit gibt, wenn ich 2 Streitparteien in ihrem Konflikt begleite. In Deiner Übersicht würde er zum perfect – trainer gehören. Da wehrt sich was in mir, weil ich – auch dort – unheimlich viel gelernt habe. Also – die Wahrheit ist für mich in der Mitte! – oder – nach Ken Wilber – es kommt halt drauf an – welchen Quadranten man grad im Fokus hat…
herzlichen Gruß – auch an Alexandra
Franz