Ein gern angeführtes Argument für Mediation in Organisationen sind die durch Konflikte verursachten Kosten, die man vermeiden könne. Der Begriff „Konfliktkosten“ ist dabei an sich falsch, betriebswirtschaftlich sind Kosten Ausgaben für die in der Produktion eingesetzten Ressourcen. Niemand kauft Konflikte ein… es müsste daher eher Konflikteinbußen heißen, aber egal, es klingt eingängig und so bleibe ich beim Begriff Konfliktkosten.
Ich möchte hier einerseits einen Überblick über die mir bekannten deutschsprachigen Studien zu diesem Thema bieten, und zum anderen die Diskussion darüber anregen. Vor allem Berater und Mediatoren behaupten ja gerne, „Konflikte haben einen Sinn“. Kann es sein, dass Konflikte nicht nur unerwünschte Einbußen „produzieren“, sondern auch „Gewinne“? Aber erst mal zu den Konfliktkosten in Unternehmen…
Was kosten Konflikte?
Hier ein Überblick über Konfliktkostenstudien, die ich im Web gefunden habe:
Konflikte kosten Unternehmen Geld – aber wieviel?
Dr. Detlev Berning, 2006
Detlev Berning berechnet Konfliktkosten anhand zweier Beispiele aus seiner Beratungstätigkeit, einmal den Fall einer Anwaltssozietät mit vier Partnern und den Fall eines mittelständischen IT-Unternehmens. Obwohl die Zahlen statistisch ohne allgemeine Aussagekraft sind und sich nicht auf andere Unternehmen übertragen lassen, ist diese Studie spannend, weil sie einen unvermittelten Einblick in die Auswirkungen der unbearbeiteten Konflikte bietet.
So sinken bspw. die Umsätze der vier Anwaltspartner konfliktbedingt von 1.2 Mio. Euro auf 1 Mio. Euro, d.h. um 17%! Zusammen mit den konfliktbedingtem Anstieg der Personal- und anderer Kosten kommt der Autor auf geschätzte Konfliktkosten von 280.000 Euro. Der Gewinn der Anwälte sank dementsprechend im Jahr 2004 von über 400.000 Euro auf knapp 140.000 Euro. Da keine Konfliktklärung stattfand (auch keine Mediation) haben sich die Partner mittlerweile getrennt und zwei neue Praxen eröffnet. Ohne Frage hat dies weitere negative finanzielle Auswirkungen, man denke an den Vertrauensverlust bei Mandanten, an die gestiegenen Kosten durch zwei neue Büros etc.
„Neue Wege der Ergebnisverbesserung“, Qualitative Studie zur betriebswirtschaftlichen Erfassung von Konfliktkosten
ExpertGroup Wirtschaftsmediation Österreich, 2006
Die Studie hat eine sehr kleine Datenbasis mit 15 befragten Unternehmen. Die Mehrzahl der Unternehmen vermutetet ein Einsparpotential durch einen positiven Umgang mit Konflikten zwischen 40,- und 1400,- Euro (pro Mitarbeiter/Jahr). Ergebnis: Die AutorInnen sehen ein durchschnittliches Einsparpotential von 19% auf Basis der jeweiligen Kostenbasis.
Konflikte und Konfliktkosten in Unternehmen
Brigitte Hiersche, 2003
Dies ist eine kleine Studie zum Thema Konfliktkosten und Mediation. Die Autorin kommt zu dem Ergebnis: „Bei den erhobenen Ergebnissen wird angegeben, dass etwa 21 % der Arbeitszeit durch ungelöste Konflikte verloren geht. Es ergeben sich dadurch Kosten von 7.360 Euro pro Arbeitnehmer, alleine durch diesen Umstand. Bei einem Unternehmen mit etwa 100 Mitarbeitern ergibt dies eine Summe von 736.000.“ (S. 13, Konflikte und Konfliktkosten in Unternehmen, Brigitte Hiersche, 2003)
Wirtschaftsmediation für Klein- und Mittelunternehmen,
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Österreich, 2005
Die Studie “ Wirtschaftsmediation für Klein- und Mittelunternehmen“ stützt sich auf die Angaben von 980 Unternehmen. Dabei stehen hier nicht direkt die Konfliktkosten im Mittelpunkt, die Studie gibt einen interessanten Überblick über den Einsatz der Wirtschaftsmediation bei Klein- und mittelständischen Unternehmen. Interessant ist auch der kritische Blick auf die Übertragung „amerikanischer Verhälntisse“ für die Mediation auf europäische Länder.
Konfliktkostenstudie, Die Kosten von Reibungsverlusten in Industrieunternehmen
KPMG, 2009
In dieser Studie wurden die Antworten von 111 Unternehmen ausgewertet. Es bietet damit die bisher verläßlichste Datenbasis. KPMG findet neun Konfliktkostenbereiche, die sich zusammenfassen lassen im „Circle of conflikt“ von „Person“, „Team“ und „Organisation“. In allen drei Bereichen entstehen durch Konflikte ungeplante Einbußen in unterschiedlicher Höhe. Die meisten Unternehmen tun sich schwer, konkrete Zahlen zu nennen. “ Am teuersten sind laut Umfrage gescheiterte und verschleppte Projekte: Jeder zweite Befragte gibt dafür ungeplant pro Jahr mindestens 50.000 Euro aus; jeder zehnte sogar über 500.000 Euro.“ (S.7, Konfliktkostenstudie, KPMG, 2009).
Zusammenfassung:
• Zehn bis 15 Prozent der Arbeitszeit in jedem Unternehmen werden für Konflikt-
bewältigung verbraucht.
• 30 bis 50 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit von Führungskräften werden
direkt oder indirekt mit Reibungsverlusten, Konflikten oder Konfliktfolgen verbracht.
• Fehlzeiten aufgrund betrieblicher Ängste und Mobbing am Arbeitsplatz belasten
Unternehmen jährlich mit ca. 30 Milliarden Euro.
• Die Kosten pro Mobbingfall betragen im Durchschnitt 60.000 Euro.
• Fluktuationskosten, Abfindungszahlungen, Gesundheitskosten aufgrund inner-
betrieblicher Konflikte belasten Unternehmen jährlich mit mehreren Milliarden
Euro.
• Ein Prozent der Mitarbeiterkosten p. a. gehen für unverarbeitete Konflikte verloren.
• Ca. 25 Prozent des Umsatzes hängen von der Kommunikationsqualität ab.
In Zusammenhang mit diesem Datenmaterial ist es nicht verwunderlich, dass die
vorliegende Studie ein Reduktionspotenzial bei Konfliktkosten pro Jahr von min-
destens 25 Prozent zeigt.
(S. 20, Konfliktkostenstudie, KPMG, 2009)
Konflikte verursachen vermeidbare Einbußen, das ist zweifellos richtig, wie diese Studien zeigen. Aber gibt es auch Konfliktgewinne? Dazu mehr im Teil 2 von „Konfliktkosten und -gewinne in Organisationen“ in Kürze in meinem Blog.