Ein update für die GFK!? Was bringt solch ein update, was für bugs (Programmierfehler) werden behoben auf dem Weg der „Systemumstellung“ bzw. worin liegt die „Bahnänderung“ von GFK 1.0 zu GFK 2.0?
- Die GFK wird weniger künstlich gesprochen, wir bleiben auch mit GFK authentisch und bodenständig. In GFK 2.0 reden wir nicht mehr von „echt statt nett“, sondern wagen es.
- Die Gewaltfreie Kommunikation wird als eine alltägliche Praxis zur Persönlichkeitsentwicklung und weniger als Kommunikationstechnik verstanden und verbreitet. GFK in 2.0 integrieren bedeutet volle Eigenverantwortung für unser Denken, Fühlen und Handeln zu übernehmen; unsere Aufmerksamkeit verlagert sich von „gewaltfrei reden“ auf „gewaltfrei leben“ (oder besser: verantwortlich leben).
- Missverständnisse, Fallen und blinde Flecken in der GFK (-Szene) rund um die Themen Bewerten, Gleichheit und Macht werden beleuchtet und überwunden. Diese haben beträchtliche Auswirkungen auf alle Beziehungen, insbesondere aber zu Autoritäten, und beeinflussen auch strukturell die Gestaltung von Hierarchien, Gemeinschaften und Organisationen.
- Es wird – mit und in der GFK – die wesentliche Bedeutung von Bewertungen (lebensdienlich) und Unterschieden (z.B. in Kompetenzen) anerkannt.
- Wir vertiefen unsere Erfahrungen mit Kooperationen und transparenten Machtstrukturen („Macht mit“ statt „Macht über“), in denen diejenigen mit Verantwortung anderen dienen.
- Wir bilden Wachstumshierarchien aus, wo jede/r einen natürlichen Platz finden kann und Gewalt abnimmt: „Herrschaftshierarchien bewirken Unterdrückung, Wachstumshierarchien beenden diese.“ (Ken Wilber, „Integrale Vision“)
- Wir setzen uns ein für entsprechend gesunde Gemeinschaften und Organisationen, in denen Menschen frei, verbunden und kreativ ihren Betrag leisten.
- Die Lern- und Entwicklungsstufen der Gewaltfreien Kommunikation werden klarer herausgearbeitet. Wir sind insbesondere auch sensibel für Prä-/Post-Verwechslungen, sehen z.B. bei Kindern, dass sie in Bezug auf ihre moralische Entwicklung prä-konventionell und nicht post-konventionell sind, obwohl sich auf der Oberfläche beides im nicht-konventionellen ähnelt.
- Die GFK-Welt informiert und vernetzt sich dazu stärker mit anderen Bewegungen und Ideen (wie z.B. Integrale Theorie/Ken Wilber, Theorie U/Otto Scharmer, Transparente Kommunikation/Thomas Hübl), die auch an Kommunikation und sozialem Wandel interessiert sind.
Wir begrüßen alle, die mitarbeiten an dieser „Migration“, wie die Informationstechniker den Umstellungsprozess von einem zum anderen System nennen, oder die Astronomen die Bahnänderung eines Planeten. Die radikale Vision der Gewaltfreien Kommunikation (und von Marshall Rosenberg) kann erst durch eine Evolution der GFK all die Wirksamkeit in der Welt entfalten, die im Grunde in ihr und uns steckt.
Dazu wollen wir:
- weiter „forschen“ und Impulse liefern, durch Blog-Artikel, auf unserer Webseite unter der neuen Rubrik GFK 2.0 (wo wir auch bisheriges von uns – und bald auch von anderen – sammeln, was für das update relevant ist), und durch das Schreiben eines Buches.
- uns mit Interessierten austauschen über die Weiterentwicklung/Evolution der Gewaltfreien Kommunikation und über sozialen Wandel über die GFK-Grenzen hinweg.
- mit der NVC Trainerakademie eine Plattform bieten, in der Menschen die Vision einer GFK 2.0 teilen.
- evtl. ein FORUM zur Diskussion auf unserer Webseite eröffnen.
Dazu kannst du:
- uns Rückmeldung geben, „Lob und Tadel“ loswerden, Kommentare liefern, Fragen stellen, die du zur GFK hast etc.
- uns zudem unterstützen, indem du deinen persönlichen Erfahrungsbericht über deinen eigenen Weg mit der GFK mit uns teilst.
- gerne über deine (bisherigen wie geplanten) Beiträge und Projekte, die in den Kontext GFK 2.0 passen, mit uns ins Gespräch kommst.
Wenn Du up to date bleiben willst, kannst du auch unseren monatlichen Newsletters abonnieren oder uns folgen per Facebook oder Twitter …
Thomas, Alexandra und Markus
info@nvc-trainer-akademie.com
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PS: Initiative NVC 2.0 für internationale Trainerliste: http://nvc-trainer-akademie.com/nvc-2-0-english/ (5.7.2012)
Liebe Alexandra, lieber Markus, lieber Thomas,
mir gefällt die Initiative, weil ich mir auch immer wieder mal frischen Wind in der Szene wünsche. Ich glaube allerdings, dass diese „Features“ in der GfK schon enthalten sind, jedenfalls im Werk und Wissen was unterwegs ist. Aber in der gelebten Kultur der Szene sind sie’s nicht – so weit ich da Zugang habe. Vielleicht braucht’s eher ein Update für die Kultur? Nicht für GfK als Methode? Und ich fänd’s gut, das voneinander zu trennen, der Klarheit halber.
Persönlich sähe ich in der Kultur gerne mehr Betonung des Mutes, den es braucht, um ohne Vorab-Empathie-Sicherung ehrlich zu sein. Diesen Mut braucht es, weil jede ehrliche Äußerung die Form der aktuellen Beziehung, in der ich mit jemandem stehe, radikal ändern kann. Und wer weiß, wo das hinführt? Und ob ich mich danach noch leiden kann? Aber der Mut ergibt sich auch, wenn mir die lebendige Aufregung dieses Nicht-Wissens und der kreativen Offenheit wichtiger sind als die Vertrautheit der bekannten Form. Und das ist eine innere Ausrichtig, die vermutlich viel mit persönlicher Entwicklung zu tun hat.
Ich sehe auf dieser Website Artikel von Markus Sikor zur Integralen Theorie. Für diejenigen unter den Mitlesenden, die Spiral Dynamics kennen (hier ein Schaubild: http://tinyurl.com/4rybwru ): Ich würde sagen, dass viele Leute, die anfangen sich für GfK zu interessieren, gerade im Übergang von Orange zu Grün sind. Das heißt sie bewegen sich von einer modernen, vernunfts- und leistungsorientierten Weltanschauung, die ihren Fokus im Gestalten unserer externen Welt und dem Wohlstand hat, hin zu einer postmodernen, akzeptanz- und empfindsamkeitsorientierten Weltanschauung, deren Fokus von außen nach innen geht und alle Schmerzpunkte und unterdrückten Anteile wiederentdeckt, die im Laufe der bisherigen Entwicklung übersehen wurden. Da gibt’s dann erstmal sehr viel zu entdecken und zu integrieren und das braucht Schutz und Raum. Den bieten die GfK-Struktur und jeder, der bereit ist, mir ein Ohr zu leihen 🙂
Aber der Mut, wirklich etwas ganz neues auzuprobieren und zu leben, wo ich nicht weiß, was daraus wird… das ist etwas, was auf Grün noch zu wenig Unterbau hat. Dafür braucht’s z.B. auch die Fähigkeit, Grenzen zu setzen, wenn ich bedroht werde. Und damit hat Grün große Schwierigkeiten. Rosenberg bezieht das mit ein, durch seine schützende Anwendung von Macht. Aber wie viele von euch fragen sich nicht hin und wieder, wie sie jemandem sein Recht auf authentischen Ausdruck verwehren sollen, wenn derjenige gerade massiv über ihre Grenzen latscht?
Da Grenzen setzen eine Kompetenz der blauen, traditionellen Stufe ist, bei der es um Sinn, Stabilität und Sicherheit geht, sowie der Orientierung an einer Autorität, die weiß, was geht und was nicht, tut sich Grün sehr schwer damit, da es eben auch das Unterdrückungspotenzial darin fürchtet. Und da braucht es dann sehr feine Differenzierungen, um Unterdrückung von Schutz unterscheiden zu können. Das fängt im Modell von Spiral Dynamics erst mit Gelb an und wird bei Türkis zu einer gelebten Wirklichkeit.
Ich glaube, dass GfK von der grünen Ebene aus nie sein volles Potenzial entfalten kann, weil ich mich von Grün aus in niemanden so richtig einfühlen kann, der nicht auch von Grün kommt. Also wir sind alle gleich… aber die, die das nicht glauben können, sind irgendwie komisch und gehören nicht dazu. Und dann kann ich auch lange nicht so viel damit bewirken und in den Kontakt bringen, weil’s da eine Barriere gibt, wo ich doch immer noch glaube, eigentlich Recht zu haben und die Wahrheit zu kennen, dass es keine universellen Wahrheiten gibt. Also, da geht noch was, auch in Sachen GfK.
Im Prinzip sprecht ihr diese Dinge auch an. Der erste Punkt „Wir wagen es“ fasst im Prinzip den Mut zusammen, von dem ich spreche. Der zweiter Punkt fordert den Entwicklungsaspekt heraus. Der dritte beleuchtet das Thema Macht und Hierarchien, was meiner Ansicht nach auf Grün noch zu wenig Platz hat, aber da ist. Und die weiteren Punkte sprechen für mich die wertvolle Differenzierung zwischen Unterdrückungshierachien und Wachstumshierarchien an, der laut Spiral Dynamics das erste Mal auf Gelb anerkannt und integriert wird.
Von daher bin ich voll dafür, aber ich würde sagen, lasst uns einfach von einer integral informierten GfK sprechen 😉 So sehe ich, was ich selber tue und freue mich, wenn das mehr Verbreitung findet.
Herzliche Grüße
Niklas
Lieber Niklas,
ich habe mich sehr gefreut über deine Rückmeldung zu unserer „Initiative“ und deine erklärenden Ausführungen auf der Grundlage von Spiral Dynamics. Mir gefällt auch deine Unterscheidung der „gelebten Kultur der Szene“ und der „GFK als Methode“. Unser Beitrag adressiert mehr die Praxis als die Theorie der GFK.
Ich stimme mit dir überein, wenn du davon schreibst, das „die GfK von der grünen Ebene aus nie sein volles Potenzial entfalten kann“. Ich denke, dass dies auch gerade durch ein bestimmtes Verständnis von Nicht-Bewerten bzw. einen Verzicht auf klare Bewertungen begründet ist. Dieses bringt meiner Erfahrung nach wieder eine neue Nettigkeit durch die Hintertür in die GFK-Welt, weil man am liebsten niemandem mehr vor den Kopf stoßen mag, offenes Feedback deshalb manchmal zurückhält und über mögliche kritische Punkte schon einmal hinweg sieht.
Zu Themen rund um „grüne blinde Flecken“ wollen wir in der nächsten Zeit auch noch mehr schreiben…
Mit herzlichen Grüßen
Thomas