Wie ich die Empathie in der Gewaltfreien Kommunikation verstehe und mein Weg sie zu lernen und zu lehren
Ich finde den Namen „Gewaltfreie Kommunikation“ irreführend. Mal abgesehen von den unterschiedlichen Assoziationen, die das Wort „gewaltfrei“ auslöst, suggeriert „Kommunikation“, dass es sich bei der GFK um eine Kommunikationsmethode oder Technik handeln könnte, mit der wir nett und freundlich bleiben, auch wenn es schwierig wird.
Mein Ziel ist, Gleichwürdigkeit und Authentizität für mich und meine Gegenüber. Das Modell der vier Schritte (Beobachtung-Gefühl-Bedürfnis-Bitte), das Dr. Marshall B. Rosenberg entwickelt hat, ist für mich ein Reflexionsmodell, um mehr Klarheit in meinem Denken, Fühlen, Wollen und Handeln zu erlangen.
Die vier Schritte helfen mir, Antworten auf drei für mich wesentliche Fragen zu finden:
- „Auf was reagiere ich?“
- „Wie geht es mir im Augenblick und welche Bedürfnisse wollen gesehen und wahrgenommen werden?“
- „Warum tue ich was ich tue?“
Diese Fragen helfen mir zum einen, meine Verhaltensmuster und Glaubenssätze wahrzunehmen und ihren jeweiligen Ursprung zu ergründen. Durch Selbstempathie: Ich schaue, was ist der Auslöser, auf den ich reagiere: Was sind meine Gedanken dazu, welche Gefühle und Bedürfnisse stecken dahinter, woher kenne ich das aus meinem Leben, wo ist etwas ähnliches passiert, wo waren meine Bedürfnisse schmerzlich unerfüllt? Wo ist der Ursprung, an dem ich mir Überzeugungen über mich und andere gebildet habe, weil ich keine Möglichkeit hatte mich zu schützen und für mich zu sorgen? Ich prüfe, wo mir diese Überzeugungen/Glaubenssätze geholfen haben. Wo tun sie es heute und wo richten sie eher Schaden an und rufen mich auf neue Strategien zu entwickeln?
Zum anderen helfen mir diese Fragen und dieser Weg zu mehr Wohlwollen und Akzeptanz mir selbst gegenüber. Ich gewinne an Freiheit, Selbstbewusstsein und Eigenverantwortung und Geduld mit mir, dafür, dass es manchmal schwer ist und seine Zeit dauert. Durch diesen Weg der Selbstempathie, wächst dann auch mein Verständnis, Wohlwollen und Akzeptanz für andere Menschen.
Empathie lernt man durch Empathie
Ich möchte betonen, dass man Empathie durch Empathie lernt. Nicht aus Büchern, Vorträgen oder Rollenspielen.
Selbstempathie hat seine Grenzen. Deshalb ist es so wichtig Empathie von erfahrenen Begleitern zu bekommen. Jemandem, der für mich da ist, mich annimmt mit meinen Gedanken, Gefühlen und Bedürfnissen und mich liebevoll bei mir hält und mit mir „in den Keller der Verletzungen und unerfüllten Bedürfnisse“ steigt.
Jemanden empathisch zu begleiten habe ich durch das Empathieempfangen gelernt. Ich konnte spüren, welche Worte mir gut tun und mich mir selbst näher bringen und welche Worte oder Fragen es sind, die mich abschweifen lassen. Ich konnte erleben wie gut sich Empathie anfühlt und manchmal auch, dass Empathie mir Dinge aufzeigt, die mich eher an den Schreck und den Schmerz einer plötzlichen Ohrfeige erinnern. Ein Teilnehmer gab mir dazu mal folgende Rückmeldung:
„Es ist wie beim Bergsteigen, wenn ich andere sichern und führen will, muss ich es erst bei mir tun“.
Kurz und knapp formuliert, entschleunigen Markus Sikor und ich in unseren Trainings sehr stark und unterstützen unsere Teilnehmer, ehrlich mit Ihrem Denken, Fühlen und Wollen da zu sein, in der Begegnung mit anderen die „Empathielücken“ aufzuspüren um sie dann mit Empathie zu füllen. Solch eine Empathiesitzung dauert ca. 90 Minuten. So lernen unsere Teilnehmer Empathie im eigenen Erleben und können an ihrer eigenen Persönlichkeitsentwicklung beobachten, wie wirksam tiefe Empathie ist und ihr Vertrauen in ihre eigene Emathiefähigkeit festigen.
Durch Selbstreflexion und Empathie lerne ich mich kennen und finde mich in anderen Menschen wieder. Denn so individuell und unterschiedlich wir Menschen auch sind, auf der Ebene von Gefühlen und Bedürfnissen gleichen wir einander. Dadurch wächst eine Einfühlsame Haltung für mich und andere. Ein wohlwollendes Annehmen des Menschlichen.
Ich bin gespannt auf Kommentare, Fragen, Ergänzungen oder das Mitteilen von eigenen Erfahrungen.
Bildquelle: berggeist007 / pixelio.de
Liebe Alexandra,
ich teile deine Gedanken über die Empathie und dass man zur Entwicklung vom Empathie selbst Empathie braucht. Genau darauf bin ich gesternabend in meiner schmerzvollen Selbstreflexion gestoßen. Ich brauche Empathie und möchte gehört und verstanden werden und dann erst kann ich Empathie für andere aufbringen.
Ich wollte empathisch sein und habe es nicht geschafft, weil in mir der Wolftanz und meine Giraffe das weite sucht. Ich bin dankbar dafür lernen zu dürfen, dass ich mich nicht mehr fordere als ich leisten kann.
Liebe Grüße,
Marina
Liebe Marina,
vielen Dank für dein Interesse an meinem Artikel und deinen Kommentar!
ich wünsche dir weiter Geduld und Wohlwollen im Umgang mit dir selbst.
Herzliche Grüße
Alexandra
Hallo Alexandra! Es tut total gut immer wieder hilfreiche Gedanken zur Gewaltfreien Kommunikation im Netz zu finden. Du schreibst Empathie lernt man durch Empathie. Genauso empfinde ich es auch. Das tiefste Verständnis von Empathie habe ich dadurch gewonnen, dass mir ein Mensch wirklich zugehört hat. Viele Grüsse Jula
Hallo Frau Boos,
ich glaube, dass man unterscheiden muss, um welche Form von Empathie es geht. Geht es um emotionale Empathie, also das NACHEMPFINDEN von dem, was in einem anderen vorgeht, oder um kognitive Empathie, also das WISSEN darüber, was in einem anderen vorgeht.
Ich denke, dass GFK vor allem für emotionale Empathie geeignet ist und ich glaube, dass hier auch das von Ihnen angesprochene „Entschleunigen“ sehr hilfreich sein kann. Auf der anderen Seite ist es für jemanden, der keinen intuitiven Zugang zu den Gefühlen eines anderen oder – noch schlimmer – seinen eignen hat, mitunter ein sehr langwieriger Weg.
Ich denke deshalb, dass man, wenn man keine Empathie hat, schneller dahin kommt, andere zu verstehen, wenn man sich (zumindest anfangs) auf kognitive Empathie konzentriert. Man kann z.B. sehr gute Ergebnisse erreichen, wenn man ein Persönlichkeitsmodell so lernt, dass man es im Alltag einsetzen kann.
Was denken Sie darüber?
Viele Grüße
Carlo Düllings
Liebe Alex,
Ich finde, es ist eine wunderbare Ergänzung zum Artikel “ Stell dich in meine Schuhe – die fünf Formen der Empathie“
Vielleicht bewirbst du diesen auch nochmal im FB ?
Alles Liebe,
Sumita